Es ist das unbestrittene Recht eines jeden Arbeitnehmers für bessere Arbeitsbedingungen zu streiken!

Die entscheidende Frage lautet aber:

Darf ein Streik unter dem Deckmantel von Tarifforderungen geführt werden, wenn es im Kern zunächst nur um Verhandlungszuständigkeiten zwischen GDL und EVG geht?

Weselsky rechnet sich seine 51% Mehrheit aus organisierten Lokführern, Zugbegleitern und Bordgastronomen zusammen. Dieses ist von ihm allerdings unredlich, weil er die anderen Berufsgruppen, wie bspw. Lokrangierführer, Ausbilder, Disponenten sowie Gruppenleiter auch vertreten will und eigentlich in seine Rechnung miteinbeziehen müsste. Realistisch betrachtet sehe es mit den Prozenten dann ganz anders aus.

Meines Erachtens nach ist daher jede Berufsgruppe einzeln zu betrachten und das bedeutet konsequenterweise nur eine Mehrheit bei den Lokführern. Hier sollten die Verhandlungen jetzt auch geführt werden.

Für mich besteht das eigentliche Problem darin, dass über Jahre Personal abgebaut wurde, u.a. auch beim Zugpersonal. Diese verfehlte Personalpolitik tritt jetzt offen zu Tage und manifestiert die Unfähigkeit des Personalvorstands, den Beruf des Lokführers attraktiv zu gestalten und aufzuwerten.

Das schließt nicht nur die Entlohnung, gemessen am Lebenshaltungsindex rangiert der deutsche Lokführer im europäischen Vergleich derzeit im unteren Drittel, sondern auch die sozialen Komponenten, wie Erfolgsbeteiligung am Unternehmensgewinn sowie familienfreundliche Schichtgestaltung mit ein.

Warum soll ein junger Mensch die nächsten 46 Jahre im unregelmäßigen Wechseldienst arbeiten, wenn er nicht einmal vom Konzernvorstand in Form einer angemessenen Entlohnung respektiert und gewürdigt wird.

Wir alle müssen uns klar machen, sowohl die Deutsche Bahn AG als auch die GDL und EVG, dass das künftige Arbeitspensum auf immer weniger Schultern verteilt werden muss. Grund hierfür ist die Überalterung der Mitarbeiter, insbesondere beim Zugpersonal.

Einige Worte zu ein paar Forderungen der GDL.

  1. eine zweistündige Arbeitszeitverkürzung auf 37 Stunden pro Woche ab 1. Januar 2015,
  2. eine Belastungssenkung durch Beschränkung der Überstunden auf 50 Stunden pro Jahr,
  3. die Erhöhung des Entgelts um fünf Prozent,
  4. mehr Wertschätzung durch Gewinnbeteiligung

Das Absenken der Wochenarbeitszeit von derzeit 39 auf 37 Stunden ist völliger Blödsinn und Weselsky weiß das auch. Diese Forderung wird er nicht durchbekommen, Fakt!

Wir leisten bei einer 39-Stunden-Woche schon von Hause aus Mehrarbeit. Jetzt kann sich jeder selbst ausrechnen, soweit mathematisch bewandert, wie dies bei einer 37-Stunden-Woche aussehen würde.

Das bringt mich zur nächsten Forderung, der Begrenzung auf 50 Stunden Mehrarbeit pro Jahr, die übrigens völlig konträr zur erstgenannten Forderung ist. Ohne Überstunden zu leisten, ist ein derzeitiger Betrieb überhaupt nicht mehr aufrecht zu erhalten. Sie ist zwar gut gemeint, aber unter diesen Umständen völlig il­lu­so­risch und daher für die Tonne.

Bei dem Entgelt hoch zu pokern ist legitim, nach Aussagen von Weselsky wird am Ende eine zwei vor dem Komma stehen. Ich denke es könnte sogar eine drei werden, wenn er endlich auf die EVG und die Bahn zugehen und die Realität akzeptieren würde.

Die Mitarbeiterbeteiligung (MAB) wurde vor zwei oder drei Jahren, weiß es schon gar nicht mehr, ersatzlos gestrichen. Wir Lokführer sehen es ja ein, wenn aufgrund von Unwetter der Gewinn zurückgeht und die MAB geringer ausfällt.

Stattdessen werden wir für unseren Einsatz, eines Global Players unwürdig, mit Kleinigkeiten billig abgespeist. Wenn schon kein Geld, dann wenigstens mal DANKE sagen. Vom halbierten Weihnachtsgeld rede ich erst gar nicht.

Es sind die Kleinigkeiten, mit denen die Motivation der Mitarbeiter stehen und fallen. Es ist das drum herum, was hier nicht mehr stimmt.

Ich wiederhole mich ungern, aber das Hauptproblem ist der Personalmangel, aus ihm erwachsen alle anderen Probleme. Ein Streik über Zuständigkeiten wird das genannte Problem nicht lösen.

Deshalb wird es Zeit, endlich über die eigene Befindlichkeiten hinwegzusehen, sich an einen Tisch zu setzen, die Probleme offen zu benennen und endlich praktikable Lösungen zu finden.

Weselsky ist allerdings beim Lösen dieser Probleme nur hinderlich und nimmt uns Lokführer für seinen Kreuzzug in Geiselhaft. Dies ist schändlich und er schadet dem Ansehen einer 150 Jahre alten Gewerkschaft.

PS:

Es wird am Freitag den 17.10.2014 ab 15:00 Uhr bei DB Schenker Rail und ab Samstag den 18.10.2014 ab 02:00 Uhr im Nah- und Fernverkehr gestreikt. Die Streiks enden am Montag den 20.10.2014 um 04:00 Uhr.

Update:

Mit Stand 16:00 Uhr hat die Deutsche Bahn AG der GDL ein fünftes Angebot unterbreitet, in der sie sich bereiterklärt über die Forderungen der GDL für weitere Arbeitnehmergruppen wie z.B. Zugbegleiter Sondierungsgespräche zu führen und kündigt der GDL einen Vorschlag über Regelungen zu materiellen Inhalten und zum gleichzeitigen Vermeiden konkurrierender Tarifverträge an.

Sie macht weiterhin ein Angebot zur Einkommensverbesserung für Lokomotivführer, welches das Erhöhen der Entgelte für Lokomotivführer in drei Stufen um insgesamt 5 Prozent bei einer Laufzeit von 30 Monaten: 2,1 Prozent zum 1. Dezember 2014, weitere 1,5 Prozent zum 1. Juli 2015 und 1,4 Prozent zum 1. Juli 2016 beinhaltet sowie das Zahlen eines Einmalbetrages von etwa 325 Euro für den Zeitraum vom 1. Juli 2014 bis 30. November 2014 vorsieht.

Außerdem sollen 200 zusätzlichen Lokomotivführern im Jahr 2015 zum Abbau von Mehrarbeit eingestellt und laufenden Maßnahmen der individuellen Schichtplanung mit dem Ziel der Vereinbarkeit von Beruf und Familie durch Stärken der Betrieblichen Arbeitszeitprojekte verbessert werden.

Hier kann die Presseinformation der Deutschen Bahn AG im Detail nachgelesen werden.

Update 2:

Weselsky hat das Angebot der Deutschen Bahn AG als mediengerechtes Scheinangebot zurückgewiesen und besteht weiterhin für das gesamte Zugpersonal verhandeln zu wollen.

Update 3:

Die oben genannten Forderungen 1. und 2., die zunächst für sich betrachtet völlig gegensätzlich erscheinen, haben nach Rücksprache mit dem Betriebsrat nur das eine Ziel, den Arbeitgeber zum Einstellen von mehr Personal zu bewegen.

Möglich wäre eine Konstellation einer 38-Stunden-Woche sowie das Begrenzen der Mehrarbeit auf 100 Stunden im Jahr. Diese Grenze der Mehrarbeit wäre dann tarifvertraglich festgelegt und der Arbeitgeber müsste bei Überschreiten dieser Grenze entweder einen Ausgleich in Stunden oder Geld leisten. Dem Arbeitnehmer steht es nach wie vor frei, diese Grenze zu überschreiten und Mehrarbeit zu leisten, wenn er es möchte.

Hier ein paar Zahlen, wie sich die Mehrheit beim Zugpersonal zusammensetzt:

Von den 37.000 Mitarbeitern des Zugpersonals (Lokführer, Zugchefs und Zugbegleiter sowie Bordgastronomen) bei dem Eisenbahnverkehrsunternehmen Deutsche Bahn AG sind 39.000 Mitglieder (51,35%) in der GDL und 8.000 Mitglieder (21,62%) in der EVG organisiert. Lediglich 10.000 Mitarbeiter (27,03%) gehören keiner Gewerkschaft an. Diese Zahlen bestätigt selbst die Deutsche Bahn AG.

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